Verdeutlicht wird dies durch einen Blick auf die Kontroversen der letzten drei Jahre: Im Januar 2007 erscheint in der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Artikel über die Organisation Wüstenstrom mit dem Titel „Heilung in Gottes Namen“, in dem über die Therapieansätze von Wüstenstrom für homosexuelle Menschen berichtet wird, die von sich aus ihr Verhalten ändern wollen. Im Oktober desselben Jahres wird auf dem Grazer Kongress für Psychiatrie ein Seminar von Markus Hoffmann – Mitbegründer von Wüstenstrom – nach Druck von außen abgesagt. Im Frühjahr 2008 ereignet sich Ähnliches im Rahmen des Christivals in Bremen. Diesmal fällt ein Seminar von Dr. Christl Vonholdt (Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft / Offensive junger Christen) dem Protest von Befürwortern gelebter Homosexualität zum Opfer, maßgeblich initiiert durch den Parlamentarischen Geschäftsführer der „Grünen“, Volker Beck. Auch im Jahr 2009 setzt sich der Trend des Protestes gegen kritische Stimmen zur Homosexualität fort. Der Kongress der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS) in Marburg wird schon im Vorfeld von Gegenwind begleitet. Grund hierfür sind angekündigte Seminare von Markus Hoffmann und Christl Vonholdt. Diese werden zwar nicht abgesagt, der Kongress muss aber unter Polizeischutz stattfinden.
Als Essenz dieser Ereignisse bleibt für Christen in Kirchen und Gemeinden vor allem eins: Verunsicherung. Darf ein Christ sich noch zu Brennpunktthemen wie Homosexualität äußern? Wenn ja, was und wie viel darf er sagen, ohne gleich als menschenfeindlich und intolerant abgestempelt zu werden? Es besteht offensichtlich ein großer Bedarf an guten, fundierten Informationen zum Thema, um sich sinnvoll und sachlich äußern zu können – sowohl im Gespräch untereinander als auch mit Betroffenen.
Es gibt mittlerweile einige hilfreiche Bücher aus christlicher Sicht, die an dieser Stelle Wegweisung geben können. Eine Auswahl findet sich am Ende dieses Artikels. Darunter sind Werke Betroffener, die als Homosexuelle eine Lebensveränderung anstrebten und erreichten.1
Ebenso enthält die Liste Bücher, die sich mit möglichen Therapieansätzen für Menschen beschäftigen, die eine Veränderung ihrer Homosexualität anstreben möchten.2 Des Weiteren finden sich dort biblische Betrachtungen zum Thema, in denen auch historische Überlegungen nicht zu kurz kommen.3
Im Folgenden soll es konkret um einige zentrale Aussagen zur Homosexualität im Römerbrief gehen. Für viele gilt dies als eine der neutestamentlichen Schlüsselstellen zum Thema. Wie alle anderen biblischen Belege zum Thema Homosexualität ist auch diese umstritten und Gegenstand theologischer Debatten. Befürworter wie Gegner gelebter Homosexualität versuchen, diese Stelle für ihre Position als Argument zu nutzen. Dieser Spannung soll exemplarisch anhand des Textes aus Römer 1,18-32, insbesondere die Verse 26-27, auf den Grund gegangen werden, wobei bewusst beide Seiten der Debatte zu Wort kommen sollen.
Exemplarisch für die Befürworter gelebter Homosexualität steht Valeria Hinck. Grund hierfür ist die breite Resonanz, die ihre Thesen in den letzten Jahren erfahren haben. In erster Linie argumentiert Valeria Hinck nicht aus der Warte einer Theologin. Sie ist Ärztin für innere Medizin. Bekannt geworden ist sie einerseits durch ihr Engagement für die Organisation Zwischenraum, in der sich gläubige Homo-, Bi- und Transsexuelle zusammengeschlossen haben. Andererseits aber auch durch die Veröffentlichung ihres Buches „Streitfall Liebe – Biblische Plädoyers wider die Ausgrenzung homosexueller Menschen”. Das Vorwort schrieb der bekannte Pfarrer Klaus Douglass (Glaube hat Gründe, Gottes Liebe feiern, Die neue Reformation).
Worum geht es in diesem Buch? Zwar hält sich Hinck an die Maßgabe im Titel und fordert vehement eine Integration homosexueller Menschen in Kirchen und Gemeinden. Aber die Argumentation des Buches geht insofern noch darüber hinaus, als dass sie generell den biblischen Befund zum Thema Homosexualität kritisch hinterfragt. Dies beinhaltet natürlich auch die Frage, ob Homosexualität generell als etwas von Gott Ungewolltes anzusehen ist oder unter bestimmten Umständen nicht doch zu rechtfertigen sei. Darum ringt sie mit großem Engagement. Auf diesem gedanklichen Hintergrund erfolgt auch ihre Auseinandersetzung mit den entsprechenden Bibelstellen. Sie kommt zu der Überzeugung, dass gelebter Glaube und gelebte Homosexualität keine unüberbrückbaren Gegensätze darstellen, sondern auch auf Basis der Aussagen in Gottes Wort durchaus miteinander vereinbar sind. Des Weiteren ist noch zu erwähnen, dass Valeria Hinck der Ex-Gay-Bewegung kritisch gegenüber steht. Menschen, die sich für eine „Änderbarkeit“ oder gar „Heilung“ von Homosexualität aussprechen bzw. engagieren, stehen demnach ebenfalls im Fokus ihrer Kritik. So etwa auch Christl Vonholdt und Markus Hoffmann, die in ihrem Buch explizit Erwähnung finden.
Es geht in diesem Artikel nicht darum, Valeria Hinck exponiert an den theologischen Pranger zu stellen. Sie bzw. ihre Argumentation dient lediglich als anschauliches Beispiel, auf welche Einwände man stoßen kann, wenn man sich mit Befürwortern gelebter Homosexualität auseinandersetzt. Es geht ebenso wenig darum, Homosexuelle per se zu verurteilen. Ein solches Verhalten ist biblisch nicht zu rechtfertigen. Paulus selbst warnt eindringlich davor, mit dem Finger auf andere zu weisen, da wir alle selbst abhängig von Gottes Gnade und Vergebung sind (Römer 2,1-3ff). Auch Jesus lehnt dieses Verhalten ab (Matthäus 7,1-5; Lukas 6,36-42). Vielmehr geht es darum, anhand dieses Textbeispiels aus Römer 1 einmal den gegenwärtigen Diskurs zu beleuchten und herauszufinden, was es von beiden Seiten aus dazu zu sagen gibt.
Generalverurteilung jeglicher Homosexualität?
Welche Art von Homosexualität meint Paulus in seinen Ausführungen? Oder anders gefragt: Ist die Textstelle aus Römer 1 eine Generalverurteilung jeglicher Homosexualität? Valeria Hinck verneint dies.4 Ihrer Ansicht nach lehnt Paulus mit diesen Versen lediglich eine kultisch motivierte, nicht auf Treue angelegte und damit mit ständig wechselnden Partnern praktizierte und möglicherweise von Zwang geprägte Homosexualität ab. Dies sei auf dem Hintergrund seiner Zeit nicht verwunderlich, denn Paulus habe es a) nicht anders gekannt und b) widerspreche eine so gelebte Sexualität ja in der Tat den Maßstäben Gottes. Monogame, auf Dauer angelegte homosexuelle Beziehungen seien Paulus fremd bzw. unbekannt gewesen. In dieser Argumentation ist sie möglicherweise geprägt von Martti Nissinen, einem Verfechter dieses „historischen Arguments”, das auch von Jack Rogers oder Dan O. Via in ihren Werken vertreten wird. Was kann diesem Argument entgegnet werden?
In Römer 1,18-32 geht es nicht primär um die Verurteilung von Homosexualität. Hier kann Hinck zugestimmt werden. Paulus beschreibt vielmehr ein Grund übel der Menschheit: Zunehmende Gottlosigkeit. Hierzu nennt er Ursachen und Folgen. Die Ursache ist die bewusste Abkehr des Menschen, also des Geschöpfs, von Gott, seinem Schöpfer. Demnach auch von den Werten und Ordnungen, die der Schöpfer in der Schöpfung verankert hat. Die Folge: Der Mensch wird orientierungslos und muss auf sich selbst vertrauen. Ein Scheitern ist vorprogrammiert. Der eingeschlagene, eigene Weg endet in der Sackgasse.
Aber hat Paulus wirklich nur kultische, promiskuitive oder auf Zwang basierende Homosexualität gemeint oder war Homosexualität für ihn per se inakzeptabel? Paulus war ein aufmerksamer Beobachter seiner Zeit. Kulturelle Strömungen, philosophische Trends und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen waren ihm vertraut. Belesen war er noch dazu – schließlich war er ausgebildeter Schriftgelehrter. Dies lässt auf ein fundiertes Grundwissen und
ein solide Allgemeinbildung schließen. Warum also hätte Paulus nicht das gesamte Spektrum zur Zeit Paulus alle erdenklichen Arten se homosexueller Beziehungen im Blick ha- xueller Sünden gab.5 Demzufolge auch alle ben sollen?6 Die Betrachtung des Textes und die Informationen über das Umfeld seiner Zeit sprechen dafür.
Ein Beleg hierfür ist, dass Paulus sowohl männliche als auch weibliche Homosexualität explizit benennt – was er sonst nicht tut.
Röm 1,26-27 (NeÜ):
Darum hat Gott sie entehrenden Leidenschaften ausgeliefert. Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Geschlechtsverkehr mit dem widernatürlichen, und ihre Männer machten es genauso. Sie gaben den natürlichen Verkehr mit den Frauen auf und wurden von wildem Verlangen zueinander gepackt. Männer trieben es schamlos mit Männern. So empfingen sie den gebührenden Lohn für ihre Verirrung an sich selbst.
Robert Gagnon stellt in diesem Zusammenhang heraus, dass nach den historischen Quellen weiblich Kulthomosexualität nicht üblich bzw. Nicht weitläufig verbreitet war und daher ein Verweis darauf nicht der Intention des Paulus entsprochen haben dürfte.7 Ebenso unterstreichen Gagnon wie auch Harfeld, dass es in Rom zur Zeit des Paulus alle erdenklichen Arten sexueller Sünden gab.
Demzufolge auch alle erdenklichen Arten von Homosexualität. Die Wahrscheinlichkeit, dass Paulus davon Kenntnis hatte, ist bei seinem aufmerksamen Blick für die Übel seiner Zeit sehr hoch. Auch ist in diesen Versen nicht von einer Reduzierung auf zwanghafte Homosexualität zu entdecken. Hier geht es um ein aktives Handeln jeweils beider Partner, es wird durchgängig im Plural formuliert: „Haben verwandelt”; „haben verlassen”; „sind zueinander entbrannt”. Genau dieses „zuseinander” impliziert die Freiwilligkeit dieses Vorgangs, hier geht es um ein gegenseitiges Begehren. Ebenso heißt es, dass Gott „sie dahingegeben hat” und „dass sie den gebührenden Lohn empfangen” haben.8
Hier werden beide Partner als verirrt und strafwürdig angesehen. Das passt nicht zu einem erzwungenen homosexuellen Verhalten, denn warum sollte neben dem Zwingenden auch der Gezwungene mitgestraft werden? Diese Überlegungen sprechen eher dafür, dass Paulus alle sexuellen Beziehungen im Hinterkopf hatte, einschließlich der bewusst eingegangenen, auf Gegenseitigkeit ausgerichteten9.
Grundsätzlich darf auch der gesamtbiblische Kontext hier nicht aus den Augen verloren werden. Es bestand für Paulus nach dem ihm bekannten biblischen Befund des Alten Testaments überhaupt kein Anlass, zwischen verschiedenen Arten der Homosexualität zu unterscheiden. Die Bibel differenziert nicht zwischen guter und schlechter Homosexualität, ebenso wenig wie die jüdischen Schriften, die Paulus als jüdischer Schriftgelehrter kannte. Warum sollte er selbst dies dann tun? Im Bezug auf andere Dinge, z.B. den Konsum von Alkohol, unterscheidet er sehr wohl.10 Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass die in Vers 26-27 benannten homosexuellen Handlungen unter bestimmten anderen Umständen legitim sein könnten.
Ein weiterer Punkt gegen eine Eingrenzung auf kultbedingte Homosexualität ergibt sich aus dem Kontext. Paulus spricht zwar im Text von Götzendienst, was einen sündhaften Tempelkult nahe legen könnte, aber bei genauer Betrachtung scheidet diese Sichtweise aus. In den Versen 18-32, besonders ab Vers 29, nennt er eine Reihe verschieden gearteter Sünden, die keineswegs kultisch motiviert sind. Vielmehr deckt Paulus mit seiner Aufzählung ein breites Spektrum menschlicher Verfehlungen ab, so dass schon der Textzusammenhang eine Eingrenzung auf kultisch bedingtes Fehlverhalten nicht gestattet. Burkhard Klautke kommt zu dem Fazit, dass auf religiöse Aversion grundsätzlich moralische Perversion folgt, und zwar den ganzen Menschen betreffend.11 Diese Stelle also allein auf eine kultische Dimension zu reduzieren, wird ihr nicht gerecht.
Gegen die Natur = gegen die Schöpfungsordnung?
Ein zweiter Aspekt, der in der Römerpassage hart umstritten ist, hat seinen Ausgangspunkt in einer bestimmten Formulierung, die sich sowohl in Vers 26 als auch in Vers 27 findet. In beiden
Versen ist zu lesen, dass sowohl Männer als auch Frauen den „natürlichen Verkehr“ verwandelt bzw. verlassen haben. Die Frage ist nun: Was ist mit dem „natürlichem Verkehr“ gemeint?
Valeria Hinck und andere meinen, dass das Wort „natürlich“ nicht gleichgesetzt werden kann mit einer Verankerung in der Schöpfungsordnung.12 Dafür spräche auch, dass die Ausführungen des Paulus keine Parallelen zur Schöpfungsgeschichte in Genesis 1 und 2 aufwiesen. Dieses Handeln entgegen der Natur sei vielmehr als ein Handeln gegen streng moralische christlich-jüdische Sitten zu verstehen, von denen Paulus ja schließlich durch und durch geprägt gewesen sei. Ein häufig gebrauchtes Argument an dieser Stelle ist auch die sexuelle Orientierung. Paulus habe demnach, so denken Hinck und andere, Heterosexuelle gemeint, die bewusst gegen ihre Orientierung, ihre „Natur“ gehandelt hätten.13
Der Text beziehe sich also nicht auf Menschen, die grundsätzlich homosexuell orientiert seien, denn diese handelten in homosexuellen Praktiken ja nicht ihrer „eigentlichen Natur” zuwider. Erst recht nicht, wenn Homosexualität als auf Dauer angelegte, liebevolle Beziehung gelebt würde. Dies sei ein Geschenk, und nicht der „Lohn der Verwirrung” (Römer 1, 27).14
Was kann dem entgegnet werden? Auch hier hilft ein genauerer Blick in Text und Kontext weiter.Zunächst ist unbestritten, dass Paulus in der Tat von christlich jüdischen Wert- und Moralvorstellungen geprägt war. Darin liegt aber kein Problem, denn es geht hier nicht um die persönliche Haltung des Paulus, sondern um viel grundlegendere Fragen.
Aber sagt der Text nichts über die Schöpfungsordnung? Dazu ist anzumerken, dass der Textabschnitt in Römer 1,18-32 sogar deutliche Bezüge zu den Passagen in Genesis 1 und 2 aufweist, implizit wie explizit. In Vers 20 ist von der Erschaffung der Welt und von der Schöpfung die Rede, in der sogar die Heiden Gott wahrnehmen können. Auch in Vers 25 finden wir Verweise auf den Schöpfer und das Geschöpf, welches sich bewusst abwendet. Die Aufzählung in Vers 23: „Vögel, vierfüßige und kriechende Tiere“15 erinnert stark an die Aufzählung der erschaffenen Tiere in Genesis 1 und 2. Die These, es bestehe kein Textbezug zur Schöpfungsgeschichte und Paulus könne nicht daran gedacht haben, ist demnach nicht haltbar. Im Gegenteil, der genaue Blick auf den Text macht deutlich, dass Paulus Schöpfung und damit auch Schöpfungsordnung klar im Blick hatte16. Und diese Schöpfungsordnung verankert menschliche Sexualität in der Beziehung von Mann und Frau. Ohne Ausnahme (Genesis 1,27-28; Genesis 2,18-25). Mann und Frau werden als sich ergänzende Einheit konzipiert und erhalten als solche das Schöpfungsprädikat „sehr gut“. Abweichende Konzepte gelebter Sexualität finden sich in diesen Berichten nicht. Es dürfte demnach klar sein, dass Paulus in seinen Aussagen zur Homosexualität durchaus von den Schöpfungsberichten und Schöpfungsordnungen der Genesis her argumentiert hat.
Bleibt noch das Argument der sexuellen Orientierung. Und damit auch die Frage nach dem Ursprung von Homosexualität. Gibt es Homosexualität „von Natur aus?” Und damit verbunden die Möglichkeit, gemäß Römer 1 als Homosexueller gar nicht gegen seine Natur zu handeln? Gagnon, Klautke und Hartfeld entgegnen hier, dass es unmöglich sei, mit homosexuellen Handlungen nicht gegen seine Natur, sein eigentliches Wesen zu agieren.17 Selbst wenn man das Argument einer psychischen Orientierung gelten ließe, verstieße Homosexualität immer noch gegen die physische Natur des Menschen. Mann und Frau ergänzen sich in ihrer sexuellen Beschaffenheit. Genau dazu wurden sie unterschiedlich geschaffen: Um sich in allen Bereichen des Lebens zu ergänzen. Eben diese Ergänzung ist bei gleichgeschlechtlichen Partnern schon rein anatomisch nicht gegeben.
Auch der historische Gebrauch der Worte physin [griechisch, von physikos] (der Natur entsprechend, natürlich, naturgemäß) und para physin (entgegen der Natur, unnatürlich), wie sie auch im griechischen Urtext des Neuen Testaments verwendet werden, spricht gegen das „Orientierungsargument”18. Richard Hays führt dazu an, dass in Ermangelung eigener griechischer Begriffe für Hetero- und Homosexualität zur Zeit des Paulus eben diese Begriffe allgemein geläufig waren und zur Unterscheidung genutzt wurden.19 Hays teilt die Ansicht, dass es sich bei para physin – also „gegen die Natur“ – um einen Verstoß gegen Gottes Schöpfungsordnung handelt, nicht bloß um eine neutrale Beschreibung individueller sexueller Befindlichkeiten. Oder, wie es Gagnon sinngemäß ausdrückt: Persönliche Empfindungen, ob sündhaft motiviert oder nicht, können nicht über Gottes grundsätzlichen Richtlinien stehen.20 Denn dass etwas nicht als Sünde empfunden wird, heißt nicht, dass es keine ist. Darüber hinaus, so merkt er „Gegen die Natur“ an, sei die Argumentation, dass sexuelle Orientierung nie widernatürlich sein könne, generell mit Vorsicht zu genießen. So würde etwa sexueller auch im Bezug auf Befindlichkeit Inzest, Sodomie oder Pädophilie von den Betroffenen behauptet, es entspräche der jeweiligen sexuellen Orientierung. Niemand käme jedoch deswegen auf die Idee, diese Art sexueller Orientierung gut zu heißen, unter welchen Umständen auch immer. So bleibt zu konstatieren, dass auch das Argument der sexuellen Orientierung nicht dazu dienen kann, Römer 1 als befürwortende oder relativierende Stelle in Bezug auf gelebte Homosexualität anzusehen.
Fazit
Als Fazit dieser schlaglichtartigen Betrachtung kann Folgendes festgehalten werden:
Der Text aus Römer 1, 18-32 lässt nicht den Schluss zu, dass Homosexualität unter Berücksichtigung bestimmter Umstände legitim sei. Im Gegenteil machen die paulinischen Worte deutlich, dass Homosexualität – wie es Gagnon sinngemäß ausdrückt – beide Ebenen menschlich möglicher Beziehungen verletzt. Die horizontale Ebene zwischen Mensch und Mensch, aber auch die vertikale Ebene zwischen Mensch und Gott.21
Ausgewählte christliche Literatur zum Thema Homosexualität:
- Baschang, Klaus, Kirche, Homosexualität und Politik. idea Dokumentation 3/2010, Wetzlar: idea e.V., 2010. (Eine interessante und hilfreiche Auseinandersetzung neueren Datums)
- Gagnon, Robert A. J., The Bible and Homosexual Practice: Texts and Hermeneutics, Nashville: Abingdon Press, 2001. (Ein umfangreiches und biblisch-theologisch qualitativ hochwertiges Werk zum Thema)
- Hartfeld, Hermann, Homosexualität im Kontext von Bibel, Theologie und Seelsorge, Wuppertal / Zürich: TVG / R. Brockhaus, 1991. (Eine gründliche Forschungsarbeit auf biblisch-theologisch-historischer Basis)
- Klautke, Jürgen-Burkhard, Gegen die Schöpfung: Homosexualität im Licht der Heiligen Schrift, Neuhofen: Evangelisch Reformierte Medien, 1998. (Eine knappe, aber dennoch inhaltsreiche Zusammenfassung der biblischen Aussagen zum Thema)
- Nicolosi, Joseph J., Shame and Attachment Loss: The Practical Work of Reperative Therapy, Downers Grove: Inter Varsity Press, 2009. (Ein umfangreicher Forschungs- und Erfahrungsbericht zur therapeutischen Arbeit mit Homosexuellen)
- Satinover, Jeffrey, Homosexuality and the Politics of Truth, Grand Rapids: Baker Books, 1996. (Einschätzungen eines bekannten amerikanischen Psychiaters)
- Verwundete Weiblichkeit: Homosexuell empfindende Frauen verstehen, Hg. Christl R. Vonholdt, Gießen: Brunnen, 2005. (Eines der wenigen empfehlenswerten Werke zu weiblicher Homosexualität)
- Werner, Roland, Homosexualität – ein Schicksal? Innere Heilung / Lebensbilder /Thesen zur Seelsorge / Das Zeugnis der Bibel, Moers: Brendow, 1988. (Ein Klassiker im Bezug auf seelsorgerliche Überlegungen)
© Institut für Ethik & Werte, Gießen, 2011
z.B. die Werke von Roland Werner. ↩
Hier sind z.B. die Werke von Joseph J. Nicolosi zu empfehlen. ↩
Dazu eignen sich zum Überblick besonders die Bücher von Robert Gagnon, Hermann Hartfeld und Jürgen-Burkhard Klautke. ↩
Vgl. Hinck, Valeria, Streitfall Liebe: Biblische Plädoyers wider die Ausgrenzung homosexueller Menschen, Mering: pro literatur verlag, 2007, S. 32ff. ↩
ebd., Hartfeld, Homosexualität, S. 77ff. ↩
Hartfeld, Hermann, Homosexualität im Kontext von Bibel, Theologie und Seelsorge, Wuppertal/ Zürich: TVG / R. Brockhaus, 1991, S. 77ff. ↩
Gagnon, Robert A. J., The Bible and Homosexual Practice: Texts and Hermeneutics, Nashville: Abingdon Press, 2001, S.229ff; vgl. auch Via, Dan O. / Robert A. J. Gagnon, Homosexuality and the Bible: Two Views, Minneapolis: Fortress, 2003, S. 76ff. ↩
Die zitierten Formulierungen entstammen der revidierten Elberfelder Bibelübersetzung aus dem Jahr 1993. ↩
Vgl. Bahnsen, Greg, Homosexuality: A Biblical View, Phillipsburg: Baker Book House, 1978, S.47ff. ↩
Paulus differenziert im Bezug auf den Konsum von Alkohol insofern, als dass er ihn grundsätzlich nicht verbietet (1.Timotheus 5,23), ein Übermaß aber strikt ablehnt (1.Timotheus 3,3+8; Titus 1,7). ↩
Klautke, Jürgen-Burkhard, Gegen die Schöpfung: Homosexualität im Licht der Heiligen Schrift, Neuhofen: Evangelisch Reformierte Medien, 1998, S. 49. ↩
Hinck, Streitfall Liebe, S. 32ff, S. 47ff, S.60ff, siehe auch: Nissinen, Martti, Homoeroticism in the Biblical World: A Historical Perspective, Minneapolis: Fortress, 1998, S. 103ff, und auch: Rogers, Jack, Jesus, the Bible and Homosexuality: Explode the Myths, Heal the Church, Louisville: Westminster John Knox Press, 2006, S. 76ff. ↩
Vgl. auch: Müller, Wunibald, Größer als alles aber ist die Liebe. Für einen ganzheitlichen Blick auf Homosexualität., Ostfildern: Grünewald, 2009, S. 52. ↩
Hinck, Streitfall Liebe, S. 35 ↩
Rev. Elberfelder 1993 ↩
Vgl. z.B. den Artikel „A Faithfull Church: The Bible and Same-Sex Sex“ von Robert Gagnon in: God, Gays and the Church: Human Sexuality and Experience in Christian Thinking, Hg. Nolland, Lisa / Chris Sudgen u.a., London: The Latimer Trust, 2008, S.107ff, oder auch Klautke, Gegen die Schöpfung, S. 50ff. ↩
Gagnon, The Bible and Homosexual Practice, S. 254ff, Klautke, Gegen die Schöpfung, S. 51, Hartfeld, Homosexualität, S. 81ff. ↩
Übersetzungen gemäß: Bauer, Walter / Kurt Aland, Wörterbuch zum Neuen Testament, Berlin/New York: de Gruyter, 1988, Sp. 1733, vergl. auch: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Hg. Horst Balz / Gerhard Schneider, Band III: pagideuo-ophelimos, Stuttgart: Kohlhammer, 1992, Sp. 1061, sowie: Haubeck, Wilfrid / Heinrich von Siebenthal, Neuer sprachlicher Schlüssel zum griechischen Neuen Testament: Römer bis Offenbarung, Gießen: Brunnen, 1994, S. 4. ↩
Hays, Richard B., The Moral Vision of the New Testament. A Contemporary Introduction to New Testament Ethics, New York: Harper Collins, 1996, S. 387. Vgl. auch Botha, Peet H. / Fika J. van Rensburg, Homosexuality as „Against Nature“: An Interpretation of Romans 1:26-27, Acta Patristica et Byzantina 15: A Journal for Early Christian and Byzantine Studies, Pretoria: South African Publications, 2004, S. 4ff. ↩
Gagnon, The Bible and Homosexual Practice, S. 264ff, S.291ff. ↩
Gagnon, Homosexuality and the Bible, S. 79f. ↩