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Wer bin ich?

Die Verunsicherung über die eigene Identität greift um sich, gerade in einer Zeit, die viele Vorschläge macht, wie man sich selbst und seine wahre Mitte finden könnte. Auch aus christlicher Sicht ist die Frage „Wer bin ich?“ nicht falsch. Eine Antwort kann sie aber nicht finden, ohne das Verhältnis zwischen Gott und Mensch als zentral zu erkennen. Was wir sind, sind wir immer durch Beziehung, nie allein in uns selbst. Für Christen heißt das, dass sie ihre Identität von ihrem neuen Sein „in Christus“ her deuten müssen.

Die Frage „Wer bin ich?“ hat sich dreimal in verschiedenen Perioden meines Lebens in den Vordergrund gedrängt.

Erste Periode

Als ich die Schule verließ, gab mir ein gläubiger Lehrer ein Geschenk zum Abschied, das bekannte Buch mit dem Titel „Widerstand und Ergebung“ mit Beiträgen von Dietrich Bonhoeffer. Darin findet sich auch sein bewegendes Gedicht „Wer bin ich?“ Es ist geprägt von Selbstreflexion, Selbstzweifel und Ehrlichkeit. Bonhoeffer fragt, ob er wirklich die Person mit Gelassenheit und Würde ist, die andere bei ihm wahrnehmen, während er doch durch innere Kämpfe geht.

Bin ich wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,

zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,

umgetrieben vom Warten auf große Dinge,

ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,

müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?

Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?1

Es liegt etwas wahrhaft Biblisches und Christliches in solchen Fragen. Auch der Apostel Paulus kannte diesen Gegensatz zwischen der inneren und äußeren Realität des Lebens. Bonhoeffers Fazit ist dem von Paulus ähnlich (1Kor 4,1-15) und sicher gesund: „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

Zweite Periode

Die gleiche Frage „Wer bin ich?“ begegnete mir viel später wieder, als ich in einer Untersuchung las, dass das der häufigste Titel bei Gedichten ist, wenn Schüler in der Oberschule ein Gedicht verfassen sollen. Darin ging es aber meistens weniger um die innere und äußere Übereinstimmung, sondern mehr um die innere Reife. Das ist wenig überraschend – und es ist auch nicht ungesund, so zu fragen. Die Teenagerjahre sind Zeiten des persönlichen Wachstums auch in der Selbsterkenntnis: Was sind meine Gaben, was meine Sehnsüchte? Was für ein Mensch werde ich einmal sein? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Was und wer ist mir wirklich wichtig? All diese Fragen, die aus den Erfahrungen herrühren, wollen bedacht sein und brauchen Antworten. Sie sindnd ein Teil des gesunden Prozesses der Reife.

Dritte Periode

Der moderne Mythos vom Erkennen der eigenen Identität im sexuellem Begehren und im eigenen Gefühl wirkt wie ein Sirenengesang, der Menschen auf einen falschen Kurs lockt, der zum Schiffbruch im Leben führt.

Wenn die gleiche Frage „Wer bin ich?“ heute gestellt wird, dann hat sie trotz gleicher Wörter einen ganz anderen Ton, ihre Farbe hat sich dramatisch geändert. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Frage heute kein Ausdruck des Erwachsenwerdens mehr ist, sondern eine Frage der Selbst(er)findung. Sie ist oft mit der Frage nach dem eigenen Geschlecht und der Sexualität verbunden. Aktuell umschwirrt ein Sirenengesang jeden jungen Menschen, der unsicher auf der Reise seines Lebens unterwegs ist.

  • Du kannst alles sein, was du willst. Du allein wählst deine Identität.
  • Du musst ganz allein entscheiden, aber wir werden dir sagen, welche Möglichkeiten du hast und dir das Feld der Überlegungen abstecken. Aber natürlich kannst du wählen, zu sein, was du willst und deine Identität in völliger Autonomie selbst bestimmen.
  • Das Fundament deiner Wahl sind allerdings deine Entscheidungen im Hinblick auf die Geschlechterrolle, die du wählst, und das sexuelle Leben, das du führst. Das wird dich wesentlich definieren und soll dein Denken beherrschen.
  • Dabei musst du unbedingt in Erwägung ziehen, dass du immer damit rechnen musst, dass du im falschen Körper geboren bist.

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  • Bedenke auch, dass es eine Sünde ist, wenn du unsere Richtlinien als irreführend oder fehlerhaft ansiehst oder ihren Wert irgendwie in Zweifel ziehst. Das wäre eine Verletzung unserer Normen und wir werden dich zum Schweigen bringen. Du brauchst bei einer solchen Grenzüberschreitung eine gründliche Unterrichtung durch uns. Sie wird Ausgrenzung nach sich ziehen und vielleicht der Ausschluss aus jedem Diskurs.

Auch wenn das noch nicht überall so deutlich ausgesprochen wird, ist unsere Gesellschaft doch auf dem Weg dahin, dass sie eine biblische Sicht des Menschen völlig ausschließen will. Uns sollte klar sein, dass, wenn in unserem Denken kein Platz für Gott ist, dann ist auch kein Platz für einen Menschen, der nach Gottes Bild erschaffen wurde. Solche Denker werden – ähnlich wie Nietzsche – schließlich ausrufen: „Wenn es keinen anderen Gott gibt, wie könnte ich es ertragen, nicht selber Gott zu sein?“ Sie werden dann – in Erfüllung von Römer 1,32 – verlangen, dass man ihre Verdrehungen als normal ansieht und dann als normativ. Es geht nämlich nicht wirklich um „Gleich­heit“ bzw. „Gleichberechtigung“.

Dieser moderne Mythos erinnert auf unheimliche Weise an die Erfahrungen von Odysseus und seiner Besatzung, die Homer in seinem bekannten Gedicht „Odyssee“ schildert. Der Held segelt an Athemossa vorbei, der Insel der Sirenen, die durch ihren unwiderstehlichen Gesang unbedachte Seefahrer in den Untergang getrieben hatten:

Wer immer in Unwissenheit zu nah vorbei segelt und die Stimmen der Sirenen hört, kehrt niemals zurück. Die Sirenen werden ihn mit ihrem Klang betören, während sie auf ihrer Wiese sitzen, umgeben von Haufen von Knochen der Männer, deren Haut verschrumpelt und ihre Leiber vermodern.

Das Schiff und seine Besatzung konnten nur gerettet werden, weil Odysseus für sich und seine Männer Ohrenstopfen aus Bienenwachs verteilte. Als er sich doch eine Zeitlang den Stimmen der Sirenen aussetzte, ließ er sich vorsorglich am Mast des Schiffes festbinden, um nicht von den Stimmen verführt zu werden, das Schiff in die Katastrophe zu lenken. Der Mythos von den Sirenen scheint gegenwärtig Realität zu werden. Ganze Kirchen haben sich betören lassen und schon bald werden da wohl nur noch modernde Knochen zu finden sein. Was hat dahin geführt?

Odysseus widersteht dem Gesang der Sirenen: Attische Vasenmalerei um 450 v.Chr. (Wiki)

Der Verlust der biblischen Sicht

Wo immer die biblische Weltsicht und die Deutung des Lebens ihren Platz verlieren, an den Rand gedrängt werden oder ganz verloren gehen, da wachsen andere Vorstellungen auf.

Bereits vor rund 50 Jahren haben viele Christen das biblische Verständnis des Selbst aufgegeben. Ein Kennzeichen davon war, dass immer mehr Bücher erschienen, die die Frage nach einem christlichen Selbstbild behandelten und damit auf die populären Ansichten reagierten, die die westliche Welt überschwemmten. In diesen Büchern kann man beobachten, dass davon ausgegangen wird, dass Christen normalerweise nicht in der Lage sind, in biblischen Kategorien von sich selbst zu denken. Nur wenige evangelikale Christen verstehen, was es heißt, nach dem Bild Gottes geschaffen zu sein. Vielleicht noch weniger begreifen, dass die Rechtfertigung, die Annahme bei Gott, die Erneuerung und Heiligung eine Wiederherstellung dieses Bildes im Einssein mit Christus nach sich zieht. So sieht sich nur eine Minderheit als „in Christus“, obwohl das eine große Rolle in der Theologie von Paulus spielt.

In der Folge fehlte den evangelikalen Gemeinden und den Teenagern, die in den 70er, 80er und 90er Jahren in ihnen aufwuchsen, was Glynn Harrison treffend als „die bessere Geschichte“ beschrieb. Wahrscheinlich muss die Welt um uns erst die Atmosphäre dieser „besseren Geschichte“ im Leben von Christen und ihren Familien wahrnehmen, bevor ihr die verdrehte Mythologie ihrer eigenen Geschichte, die derzeit überall verbreitet wird, klar werden kann. Sie können sich nur dann von ihrer eigenen falschen Geschichte abwenden (Buße und Umkehr), wenn sie sehen, dass die Bibel tatsächlich die bessere Geschichte bietet, weil sie wahr ist. Auch wenn sie es erst nicht zugeben mögen, könnten sie im Glauben die wahre Geschichte des Evangeliums annehmen und selber Teil davon werden (Erneuerung und Heiligung). Sie erfreuten sich dann auch an der wunderbaren Zukunft, die in der Verherrlichung in Ewigkeit versprochen ist.

Die bessere Geschichte für unsere Zeit

Aber was ist diese bessere Geschichte, die uns die Bibel schenkt und die in unserem Leben sichtbar werden soll? Eigentlich ist es alles zwischen 1Mose 1,1 und Offenbarung 22,21. Aber zusammengefasst hat den Punkt für uns Johannes Calvin im ersten Satz seiner „Institutio“:

„All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfasst im Grunde eigentlich zweierlei: Die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis.“

Gegenwärtig sehe ich zwei Heraus­forderungen, um zu solchem gesunden Denken zu gelangen. Diese müssen bewältigt werden, damit uns wieder richtig klar ist, was es heißt, „in Christus“ zu sein.

Die erste Herausforderung liegt darin, dass die gesellschaftliche, die philosophische und auch die ethisch-moralische Luft, die wir atmen und die von gegenwärtiger Politik gefördert wird, Gott ausgeschlossen hat. Die säkularen Denker waren sich nicht klar darüber, welch einen Pesthauch sie damit erschaffen haben, dass es logisch so nicht mehr möglich ist, zu verstehen, was der Mensch ist. Gott auszuschließen, bedeutet, dass wir als Männer und Frauen die Gottebenbildlichkeit verlieren.

Die „bessere Geschichte“ von dem, was der Mensch als Geschöpf und Ebenbild Gottes ist und als Erlöster in Christus sein kann, ist weithin verstummt. Dafür sind wir Christen mitverantwortlich.

Die zweite Herausforderung hat ihre Wurzeln in einer Schwäche, die seit langem in den evangelikalen Gemeinden sichtbar wird. Im Großen und Ganzen haben Evangelikale bei der Diskussion über die Schöpfungsgeschichte in 1Mose 1 und 2 seit Jahrzehnten vor allem über die Länge der Schöpfungstage diskutiert. Das ist sicher nicht unwichtig, aber es hat unklar werden lassen, was das offensichtliche Ziel der Erzählung ist: Es geht um die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau, einzigartig gebildet nach Gottes Bild und Ähnlichkeit gemäß dem Beschluss Gottes und nach Gottes Art (1Mo 1,26-28).

So wurde 1Mose 1 und was die Schöpfungsgeschichte die Christen über ihre Identität lehren will zweitrangig gegenüber dem Kampf gegen die Evolutionslehre. Die Folge sind starke Argumente gegen die Evolutionstheorie aber wenig Verständnis für das wahre Menschsein, das wunderbar und attraktiv in den Glaubenden hergestellt wird durch das Sein in Christus. Als weitere Folge haben selbst in Ländern, in denen es relativ viele bekennende Evangelikale gibt (wie in den Vereinigten Staaten), Nicht-Christen nicht wahrnehmen können, wie nah sie bei den Christen dem Leben sind, wie es wirklich von Gott gemeint ist. Die „bessere Geschichte“ verstummte, statt dass man sie bei den Christen ablesen konnte.

Wir brauchen also Abhilfe für unsere Vergesslichkeit: eine biblische Lehre der Erneuerung. Wir brauchen die gesamte Bibel, wenn es darum geht, zu erklären, was unsere Identität als Christen eigentlich ist. Aber vielleicht können wir schon einmal mit einem „Zehn-Punkte-Plan“ aus der Bibel beginnen. Er kann uns helfen, zu verstehen, wertzuschätzen und dann auch zu leben, was zum Geburtsrecht eines jeden Christen gehört: der Vorzug der neuen Identität in Christus.

Der Zehn-Punkte-Plan

Die folgenden zehn Wahrheiten sind eindeutig, wenn wir die Bibel nach unserer Identität als Christen befragen.

  • 1. Wir sind Geschöpfe, die nach Gottes Bild erschaffen wurden, liebevoll geformt aus Erde und Staub, um als menschliche Wesen Gottes Ähnlichkeit an uns zu tragen. Das bleibt die Grundlage des Menschseins, denn wir behalten die Gottebenbildlichkeit trotz der Folgen der Sünde (1Mo 1,26-28; 2,7; 9,1-7; Jak 3,9).
  • 2. Wir sind Sünder und erwarten Gottes Urteil über uns. Aber wir sind auch geliebt und versöhnt durch die Gnade Gottes. Wir sind völlig angenommen von Gott „in Christus“ (Eph 1,3-14; 2,1-10).
  • 3. Wir sind Kinder Gottes und darum willkommen und umsorgt von unserem himmlischen Vater (Mt 6,26.31; Röm 8,14-17.29; Gal 3,26; 4,4-7; 1Joh 3,1-3).
  • 4. Wir sind Diener von Christus, die er für einen hohen Preis freigekauft hat. Wir gehören nicht uns selber, sondern leben unter der Herrschaft von Christus und freuen uns an seinem Schutz (Röm 14,7-9; 1Kor 6,19-20).
  • 5. Wir sind Schüler von Jesus und lernen in einer Schule, in der wir sehr gut unterrichtet werden (Mt 28,18-20; Joh 14,23-24; 15,7-11; 2Tim 3,16-17; vgl. Ps 119,1-16).
  • 6. Wir sind in Christus alle Brüder und Schwestern; alle Glaubenden im Himmel und auf der Erde gehören zu einer Familie, die weltweit alle Völker umfasst und ewig bleibt (Röm 8,29; Gal 3,26-29; Heb 2,10-18; Offb 7,9-12).
  • 7. Wir sind Erben mit Christus, haben den gleichen Heiligen Geist wie er und sehen voller Freude der zukünftigen Erbschaft entgegen (Röm 8,14-17; Gal 4,3-7; Eph 1,11-14; 1Pet 1,3-6; 1Joh 3,14).
  • 8. Wir sind Bürger des Himmels, und während wir noch auf dieser Welt leben, gehören wir doch zu einer anderen Nation mit ihrem eigenen König, eigenen Gesetzen und Lebensordnungen (Phil 3,20-21; Kol 3,1-3).
  • 9. Wir sind Pilger und Fremde und darum nicht überrascht, dass man uns oft feindlich begegnet (1Pet 2,11-12; 4,12).
  • 10. Wir sind Soldaten einer geistlichen Armee und deswegen nicht überrascht, dass wir in Kämpfen auch Wunden davontragen (Röm 13,11-14; Eph 6,10-18; Offb 12,1-17).

Geschöpfe, die wiederhergestellt werden; Sünder, die Vergebung erfahren; Kinder, die sich an ihrem Vater freuen; freudige Diener; Schüler, die ihrem Meisterlehrer folgen; Brüder und Schwestern, die einander lieben und füreinander sorgen; Erben, die gesegnet sind in der Gegenwart und eine herrliche Zukunft haben; Bürger eines besseren Landes; Pilger, die wissen, dass diese Welt nicht ihr Zuhause ist; Soldaten, die wissen, dass sie im Kampfgebiet leben: All das ist unsere Identität.

Diese Merkmale unserer Identität gelten universell für alle wahren Christen. Das muss nicht bedeuten, dass wir sie alle zugleich als Erfahrung erleben oder in der gleichen Intensität im Bewusstsein tragen, nicht einmal, dass wir sie alle in genau der gleichen Weise erleben. Aber nur wenn sie zur Normalität werden für die Art, wie wir über uns selbst denken, werden sie uns verändern und aufbauen: Sie haben eine belebende Wirkung auf unser gesamtes Lebensgefühl. Betrachten wir einige der Folgen zum Schluss.

Der Segen der biblischen Identität

1. Unter den Vorzeichen einer biblischen Identität werden wir ein Bild von uns selbst entwickeln können, dass nicht von Unsicherheit, sondern von Stabilität gekennzeichnet ist. Wenn wir die Kennzeichen christlicher Identität verinnerlichen, bekommt unser Leben ein Fundament. Das Leben ist für uns voller Überraschungen, aber nichts kann uns letztlich umwerfen, wenn wir wissen, wer wir in Christus sind.

2. Der Sinn dafür, wer wir in Christus sind, führt zu einem Leben der Würde. Das liegt besonders daran, dass wir die Vorzüge verstehen und schätzen, die uns in Christus geschenkt sind: als Kinder Gottes, als Mitglieder seiner Familie, als Erben seiner Gnade und Herrlichkeit.

3. Wir werden fähig, mit der Feindschaft unserer Umwelt umzugehen, die uns erniedrigen und an den Rand drängen will. Das hat zwei Gründe: Erstens können wir immer zu unserem Herrn sagen: „Es geht gar nicht um mich, außer dass ich auch unter diesen Umständen bei dir bleibe; ich übergebe deswegen alles dir; du wirst dich darum kümmern und auch um mich.“ Zweitens wissen wir, dass unser Vater im Himmel für uns alles so wendet, dass es zum Besten für uns ist, weil wir ihn lieben. Dieses Beste ist letztlich, dass wir in das Bild seines Sohnes umgestaltet werden, damit wir dem „Wesen und der Gestalt seines Sohnes gleich werden, denn er sollte der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein“ (Römer 8,28-29). Das bedeutet, dass alles, was gegen mich in Stellung gebracht wird, in der Hand meines himmlischen Vaters dafür eingesetzt wird, dass es mich Christus ähnlicher werden lässt.

Wir leben in einer Welt, in der junge Christen von klein auf bombardiert werden mit gefährlichen Behauptungen über unsere Identität. Man behauptet, nur darüber zu informieren, wie die Dinge eben sind, aber verschweigt die unchristlichen Grundlagen, Vorentscheidungen und Vorurteile, die zu den eigenen „Erkenntnissen“ führten.

In einer solchen Welt müssen wir uns mit dem Wissen über unseren wahren Charakter als Christen beschäftigen, auch weil das uns in unserem Leben Stabilität gibt und unseren Charakter formt. Es ist ein großes Geschenk, wenn man 16 Jahre alt ist und wissen kann, wer man in Christus ist. Das ist ein Geschenk von Gottes Gnade und gibt die Kraft, mitten in der Mehrheit der anderen zu bestehen. Das braucht Mut, aber den zu geben hat Christus versprochen. Die zehn genannten biblischen Gewissheiten zu kennen, macht den Unterschied in der Welt. Und es liegt auch eine wunderbare Schönheit darin. Sie zu erkennen, ist keine Raketenwissenschaft. Man braucht keine besondere Begabung dazu oder herausragende Intelligenz oder eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Es liegt vielmehr im Wissen, wie der Herr Jesus Christus unser schlichtes Gebet beantwortet:

Herr, mach deine Schönheit sichtbar in mir,

all deine wunderbare Leidenschaft und Reinheit.

Lass deinen heiligen Geist mein Wesen erneuern

bis deine Schönheit, Jesus, sichtbar ist in mir.

Das alles ist keine neue Erfindung. Auch die alten reformatorischen Bekenntnisse geben uns ein Verständnis des Wesens unserer wunderbaren Identität in Christus. Z.B. spricht der Heidelberger Katechismus davon, dass

Christus „mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat; und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben“ (Frage 1).

Zu wissen, wer wir sind und gemäß der biblischen Erkenn­tnis zu leben, das bedeutet auch, dass wir eine „Geschichte“ mit Jesus Christus haben, die ganz sicher die „bessere Geschichte“ ist und die einen wunderbaren Ausgang haben wird. Im lebendigen Bewusstsein dieser Tatsache zu leben, ist wiederum ein wunderbares Zeugnis für die Welt.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries


  1. Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung. 10. Aufl. München, Hamburg 1978: S. 179.