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Der Fall Olaf Latzel: eine Predigt erregt Aufsehen

Die öffentlichen Reaktionen auf eine Predigt des Bremer Pastors Olaf Latzel erstaunen, und das umso mehr, wenn man genauer hinsieht, was er gesagt hat. Muss jeder, der den christlichen Glauben klar bekennt, jetzt wie Olaf Latzel mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft rechnen? Ein Kommentar.

Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Die Vorwürfe lauten auf „geistige Brandstiftung“, „Fundamentalismus pur“, „Fremdenhass“, „Beleidigung anderer Religionen“, ja sogar „Volksverhetzung“. Beschuldigt wird Olaf Latzel, Pastor an der evangelischen Kirchengemeinde St. Martini in Bremen.

Grund für die Aufregung und Empörung bei Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Kirche ist eine Predigt von Pastor Latzel vom 18. Januar 2015 über Richter 6,25–35. Unter dem Titel „An Gideon die Reinigung von fremden Göttern lernen“ hatte Latzel unter anderem das Verhältnis von Christentum und Islam thematisiert und seine Gemeinde vor einem synkretistischen Lebensstil gewarnt. Ich empfehle, sich die Predigt anzuhören.1

Der Vorwurf

Wer Olaf Latzel kennt, weiß um seine unverblümte Art zu reden und Dinge beim Namen zu nennen. Dabei fällt seine Wortwahl schon mal etwas derber aus – offenbar zu derb für eine breite Öffentlichkeit. Im Bremer Regionalteil der Zeitung DIE WELT wird behauptet, dass

„der evangelisch-konservative Pastor das islamische Zuckerfest als ‚Blödsinn‘, Buddha als ‚dicken, fetten Herrn‘ und den Segen des Papstes urbi et orbi als ‚ganz großen Mist‘“ bezeichnet habe. Und weiter: „Reliquien der katholischen Kirche beschimpfte er als ‚Dreck‘. Zu Götzen und anderen Göttern sage Gott: ‚umhauen, verbrennen, hacken, Schnitte ziehen‘.“2

Etwas ausgewogener berichtet der WESER KURIER davon, dass Latzel vorgeworfen werde, zu Fremdenhass aufgerufen und Hass geschürt zu haben.3 Radio Bremen bezeichnet die Predigt von Latzel als „Rundumschlag von der Kanzel“.4 Und das Hamburger Abendblatt vermeldet: „Pastor beleidigt Religionen“.5

Der Kommentar erscheint in Biblisch Glauben Denken Leben 106, das als PDF geladen werden kann.

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Der Bremer Bürgermeister ist erschüttert und äußert gegenüber Radio Bremen Sorge um den sozialen Frieden in der Stadt. Linke und Grüne stufen die Predigt als intolerant ein. Auch Vertreter der Bremischen Evangelischen Kirche sind brüskiert. Wie Radio Bremen berichtet, empfinden die Kirchenvertreter die Worte von Pastor Latzel als „geistige Brandstiftung“ und „unerträglich“, und sie werfen dem Geist­lichen vor, er würde „Hass predigen“ und seine Religion als die einzig wahre darstellen. Am 4. Februar muss sich Olaf Latzel vor der Kirchenleitung verantworten. Anschließend protestieren rund 70 seiner Pastorenkollegen vor dem Dom gegen ihn, weil er „Bibeltexte als Schlagwaffe missbraucht“ habe und werfen ihm „Fundamentalismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamo­phobie und rassistisches Gedankengut“ vor.

Die Predigt

Auch nach mehrmaligem Anhören der Predigt hatte ich Mühe, die Aufregung in dieser Intensität nachzuvollziehen. Es sei vorweg angemerkt, dass es sich bei einer Predigt nicht um einen religionssoziologischen Vortrag oder eine Rede an die Nation handelt. Eine Predigt ist in der Regel auf eine bestimmte Zuhörer­schaft gemünzt, nimmt deren Ausgangs­lage und Kennt­nisstand wahr und versucht darauf einzugehen. Dass Aussagen einer solchen Rede von Außenstehenden missverstanden werden können, liegt in der Natur der Sache.

St. Martini ist eine Gemeinde mit einer bewegten Geschichte, in der in den letzten Jahrzehnten gesellschaftsrelevante Themen immer wieder angesprochen und kontrovers diskutiert wurden. Ich verweise nur auf den im vergangenen Jahr verstorbenen Prof. Dr. Dr. Georg Huntemann, der zu den Vorgängern Latzels in St. Martini zählt.6 Allerdings hat sich die Diskussionskultur in unserem Land mittlerweile ebenso verändert wie die Berichterstattung der Medien – von einer offenen Streitkultur hin zu einer Kultur der Betroffenheit und Empörung, in der man bestimmte Dinge sagen darf, andere besser nicht.

Zu den Dingen, die man besser nicht anspricht, gehören neben der sexuellen Orientierung eines Menschen seine Religion. Doch genau auf diese kommt Latzel in sehr exklusiver Weise zu sprechen. Die Ausdrucksweise ist, wie bereits erwähnt, hier und da recht derb. So bezeichnet Latzel eine Buddha-Fugur – nicht Buddha selbst – als „dicken, alten, fetten Herrn“. „Reliquien“ bezeichnet er ebenso als „Dreck“ wie das nationalsozialistische Heidentum, gegen das er sich deutlich ausspricht. Wenn er über den Katholizismus spricht, wird man an die polemische Sprache der Reformatoren erinnert:

„Das wollen wir nicht vergessen, dieser ganze Reliquiendreck und -kult, der ist heute noch in der katholischen Kirche verbreitet. Auch da muss man sagen bei aller Ökumene: Da können wir nicht mitmachen. Auch da muss man ein Nein zu haben, wenn da irgendwas vermischt wird. Es gibt in der katholischen Kirche viele gläubige Leute, die auch ihre Probleme (da)mit haben. Aber das, was da Lehre ist in der katholischen Kirche, ist ein ganz großer Mist. Zu denken, wenn ich den Segen höre vom Papst, urbi et orbi, ob übers Radio, Fernsehen oder am Petersplatz, hab ich vollständigen Ablass meiner Sünden. Nur weil ein Mensch was spricht. Ich sage, Leute, das ist doch Irrsinn! Genauso, was da in Aachen abläuft. … Das ist falsch. Aber sag was dagegen, dann störst du den ökumenischen Frieden, das gute Miteinander mit den katholischen Geschwistern. Wenn du dich gegen die Dinge stellst, die neben Jesus gestellt werden, die andern Götzen, kriegst du Probleme.“

Auch hier mag man die Wortwahl kritisieren. Inhaltlich sollte ein Protestant wenig auszusetzen haben. Immerhin ist der Protestantismus aus der Kritik an diesen Praktiken geboren. Es ist seit je her evangelische Lehre, dass Vergebung der Sünden vor Gott nur und allein durch Jesus Christus zu haben ist. Wer das ablehnt, verlässt evangelischen Boden.

Dann spricht Latzel aber auch über den Islam. Eigentlich äußert er sich wenig bis gar nicht inhaltlich zum Islam, sondern redet darüber, wie Christen und solche, die es gerade geworden sind, mit dem Islam, anderen Religionen und Aberglauben aller Art umgehen sollen. Beschimpft wird der Islam dabei nicht, abgesehen von der überflüssigen und unpassenden Aussage, das islamische Zuckerfest sei „Blödsinn“, wobei es sich für mich zunächst so angehört hat, als sei eine gemeinsame Teilnahme von Christen und Muslimen an diesem Fest Blödsinn.

Pastor Latzel postuliert, dass der christliche Gott der einzig wahre sei und dass ein Christ seinen Glauben nicht mit anderen religiösen Überzeugungen vermischen dürfe. Dass sich Vertreter der Kirche gerade darüber empören, ist mehr als er­staun­lich. Schon das erste der Zehn Gebote spricht in aller Deut­lichkeit davon, dass nur dieser eine Gott zu verehren ist und Jesus Christus bezeichnet sich als einzigen Weg zu Gott – und diesem Christus ist nicht nur der Pastor von St. Martini, sondern auch die übrigen Kirchen­vertreter verpflichtet. Von dieser Grundlage aus ist Latzels seelsorgerliches Ringen um seine Gemeindeglieder nicht nur verständlich, sondern eigentlich geboten.

Olaf Latzel wird als Hassprediger bezeichnet, weil er behauptet, dass Muslime und Christen nicht zum gleichen Gott beten und weil er umstrittene katholische Praktiken kritisiert. Ich habe bei folgenden Aussagen, die in der Predigt gemacht werden, Schwierigkeiten, den Hassprediger zu erkennen:

„Sobald Israel abfällt von Gott, vom lebendigen Gott, dem einzigen Gott, und mit andern Göttern irgendwelche Dinge macht, geht alles schief, geht alles den Bach runter. Lesen Sie bitte einmal das nach! Denken Sie nicht, der Latzel – und ich weiß genau, was wieder kommt nach dieser Predigt –, das ist ein Scharf­macher, das ist ein Hetzer. Ich sage nur, was in der Bibel steht.“

Hier wie an anderer Stelle verweist Latzel auf die Bibel und fordert seine Gemeinde auf, das Gesagte dort zu überprüfen. Das ist untypisch für einen Hetzer. Und auch die folgenden Worte wollen nicht so recht zu einem Hassprediger passen:

„Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das heißt nicht – das sag ich auch in aller Klarheit, – dass wir nicht den Muslimen in Liebe und Nähe zu begegnen haben. Das ist ganz wichtig. Gott unterscheidet zwischen der Sünde und dem Sünder. … Wir haben den Menschen muslimischen Glaubens in Liebe und Barmherzigkeit zu begegnen! Und wenn die verfolgt werden, dann haben wir uns vor sie zu stellen. Das ist unsere Aufgabe als Christen. … Ich weiß, dass das manchmal schwer ist, das hinzukriegen, zu sagen: das Nein zum Islam und diese Vermischung mit dem Christentum, aber das Ja zu Menschen anderen Glaubens.“

Muslime und Christen haben einen unterschiedlichen Glauben, und hier sollen Christen dem Grundsatz Gideons folgend klare Trennlinien ziehen, ohne dabei lieblos zu werden. Dieses „Trennlinien ziehen“, das in dem alttestamentlichen Bibelabschnitt mit Gewalt gegen Götzenstatuen verbunden ist, bezieht Latzel auf eine innere Haltung des Gläubigen. Ein Aufruf zu Gewalt ist nirgends auszumachen. Pastor Latzel geht dann noch einen Schritt weiter und sagt:

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Die Muslime, die hier leben, ja. Absolut! Aber der Islam hat nichts zu tun mit dem Gott, von dem es in der Präambel unseres Grundgesetzes heißt: ‚Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, vom Willen beseelt als gleichberechtigtes Glied im vereinten Europa geben wir uns dieses Grundgesetz‘. Dieser Gott, der da gemeint ist, das ist jedem, der nur ein bisschen historische Ahnung hat (klar), ist der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und ist nicht Allah. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Ich weiß, wenn ich damit hingehe und das klar sage, dass das Widerstände gibt und dass, wenn ich euch das so deutlich mitgebe, dass ihr mit Widerständen zu tun haben werdet – im Beruf, in der Nachbarschaft, in der Familie. Aber das ist das, was Gott von uns möchte.“

Das passt nicht so recht zur gegenwärtigen „political correctness“ und vielleicht auch nicht zu einer bunten Stadt. Allerdings scheint sich in diesem Punkt, selbst die Bundes­kanzlerin mittlerweile nicht mehr ganz so sicher zu sein.7

Fazit

Die boulevardmäßige und reißerische Berichterstattung selbst angesehener Zeitungen und Medien scheint zunehmend normal zu werden. Es wäre wünschenswert, dass sich Medien­vertreter intensiver Gedanken darüber machen, was sie mit ihrer Berichterstattung auslösen. Wieso beispielsweise DIE ZEIT über ihren Artikel zu Pastor Latzel ein Bild mit brennenden Autoreifen setzt bzw. das Thema in einem Blog zu Islamismus und Islamophobie abhandelt, will mir nicht so recht einleuchten.8 Ist mittlerweile jeder islamophob, der eine andere Überzeugung vertritt?

Natürlich wird auch in diesem Fall fröhlich die Funda­men­talismuskeule geschwungen, die ob ihrer Undifferenziertheit aber inzwischen dazu geeignet ist, so ziemlich jeden zu erschlagen, der eine feste Überzeugung hat und nicht so recht ins Bild passt. Gideons Gegner lassen grüßen.

Interessant war für mich die Feststellung, dass nicht wenige Leser die mangelnde Qualität der Meldungen erkennen und ihre Unzufriedenheit in Kommentaren zum Ausdruck bringen. Selbst ein Buddhist meldete sich zu Wort und fand nichts Verwerfliches an Latzels Rede.

Offenbar sind viele Medien heute nicht mehr in der Lage oder willens, eine nüchterne, differenzierte und mit dem nötigen Sachverstand versehene Darstellung zu liefern. Folglich findet eine Diskussion um den Predigtabschnitt, der ja die Grundlage der ganzen Predigt ist, oder gar eine sachliche, theologische, inhaltliche Auseinandersetzung nicht statt. Das hätte von den Berichtenden nicht nur Sachkenntnis, sondern auch die Bereitschaft erfordert, dem Denken eines Christen wenigstens so weit zu folgen, dass sie Latzels Anliegen begreifen. Dass ein solches Unterfangen für Menschen, die bereits Schwierigkeiten mit dem Gedanken an einen unendlichen Gott haben, der irgendetwas von uns fordern könnte, eine große Überwindung bedeutet, ist verständlich, rechtfertigt aber keineswegs die undifferenzierte Aburteilung Andersdenkender.

Aber worum geht es hier wirklich? Um eine Predigt, die ursprünglich vielleicht 0,1% der Stadtbevölkerung gehört haben? Die Wortwahl von Pastor Latzel mag nicht jedem Ohr zusagen und tatsächlich braucht Klarheit keine Schimpf­worte. Inhaltlich steht der Bremer Pastor aber auf Schrift und Bekenntnis, denen er als ordinierter evangelischer Pfarrer verpflichtet ist.

Vielleicht ist ein Teil der Empörung auch damit zu erklären, dass die Öffentlichkeit ein solch deutliches Reden vom christlichen Glauben schlicht nicht mehr gewohnt ist, weil es Pastoren und Gemeinden an der Christustreue, der Konsequenz und dem Mut mangelt, von denen in der Predigt die Rede ist. Olaf Latzel hat seine Zuhörer zum konsequenten Leben in der Nachfolge ermutigt, das nur in der ungeteilten Verehrung des dreieinigen Gottes möglich ist. Dabei hat er seine Gemeinde auch zu einem liebevollen und barmherzigen Umgang mit Anders­gläubigen angehalten. Von Hetze und Hass war für mich nichts zu spüren – jedenfalls nicht bei Pastor Latzel.

Anders sieht es da bei den Empörten aus. Was nicht der eigenen bunten Überzeugung entspricht, wird an den Pranger gestellt – vor allem, wenn sich eine rentable Story daraus machen lässt. Für Andersdenkende ist da weder Verständnis noch Respekt. Eine christliche Existenz, die Gott und sein Wort ernst nehmen möchte, ist unerwünscht. Wirkliche Toleranz, die andere Überzeugungen und Meinungen respektiert, ohne sie teilen zu wollen, hat einen schweren Stand in unserem Land – wie der Fall Olaf Latzel zeigt, dessen Gottesdienst am 8. Februar unter Polizeischutz stattfinden muss.


  1. Die Predigt ist abrufbar unter URL: http://www.st-martini.net/audio/2015/2015_0118la.mp3 [Stand: 31.01.2015]. 

  2. In DIE WELT vom 29.01.2015. URL: http://www.welt.de/regionales/niedersachsen/article136900780/Pastor-beschimpft-Buddha-Katholiken-und-den-Islam.html [Stand: 30.01.2015]. 

  3. Christian Weth, „Vorwurf: Pastor schürt Hass“, in: WESER KURIER vom 28.01.2015. URL: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Vorwurf-Pastor-schuert-Hass-_arid,1044316.html [Stand: 30.01.2015]. 

  4. Radio Bremen, „Umstrittene Predigt: Wird jetzt gegen den Bremer Pastor ermittelt?“, 29.01.2015. URL: http://www.radiobremen.de/nachrichten/gesellschaft/predigt-martini-gemeinde102.html [Stand: 30.01.2015]. 

  5. Hamburger Abendblatt, „Pastor beleidigt Religionen, jetzt ermittelt der Staatsanwalt“, 29.01.2015. URL: http://www.abendblatt.de/region/article136896526/Pastor-beleidigt-Religionen-jetzt-ermittelt-der-Staatsanwalt.html [Stand: 30.01.2015]. 

  6. Vgl. dazu Sex, Satan, Sünde – Seelsorger Huntemann ist seinen Amtsbrüdern zu exzentrisch, in: DIE ZEIT Nr. 41 vom 13. Oktober 1967, S. 11. Abrufbar unter URL: http://www.zeit.de/1967/41/sex-satan-suende. Und: Johannes Otto, „‚Ich konnte nicht marschieren!‘ Ein streitbarer Theologe vollendet seinen Lauf“. URL: http://bibelbund.de/2014/12/wuerdigung-georg-huntemann/ [Stand: 30.01.2015]. 

  7. Vgl. dazu Torsten Krauel, „Zu Recht korrigiert Merkel sich in der Islamfrage“, in: DIE WELT, 31.01.2015. URL: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article136965127/Zu-Recht-korrigiert-Merkel-sich-in-der-Islamfrage.html [Stand: 31.01.2015]. 

  8. Yassin Musharbash, „Radikale Ansichten“, in: DIE ZEIT, Ein Blog über Islamismus und Islamophobie, Nahost und Neukölln, virtuell und analog, 30.01.2015. URL: http://blog.zeit.de/radikale-ansichten/2015/01/30/ein-christianist-bremen/ [Stand: 31.01.2015].